2019
Entwicklungen in Premanjali
In unserem Heim Premanjali, wo die Mädchen die Klassen 11 und 12 absolvieren und später aufs College gehen können haben, haben alle mit gut oder sehr gut bestanden. A. hat ein dreijähriges Wirtschaftstudium sogar als Beste des gesamten College abgeschlossen, so dass das College ihr ein Stipendium für ein Zusatzstudium angeboten hat. Leider hat sie dieses Angebot ausgeschlagen, denn wie alle unserer Mädchen möchte sie so schnell wie möglich Geld verdienen, um ihre Familie zu unterstützen. Ihr Vater ist krank und arbeitslos, die Mutter arbeitet fern von zuhause als Hausangestellte, die ältere Schwester hat ihr Studium aus finanziellen Gründen abgebrochen, nun soll wenigstens der jüngere Bruder noch durch die Schule gebracht werden. Immerhin: A. hat schon mehrere Jobangebote und ist entschlossen, ihre Ausbildung per Fernstudium fortzusetzen.
Auch B., unsere andere Wirtschaftsstudentin, ist derzeit auf Jobsuche als Buchhalterin im öffentlichen Dienst, was ihr nach Ansicht unserer Heimleiterin auch bald gelingen dürfte, einmal, weil sie einen guten Abschluss gemacht hat, zum anderen, weil sie als Siddi über die Quote für Minderheiten leichter in den begehrten Staatsdienst kommt. Die Siddis sind die Nachkommen der Sklaven der Portugiesen, und werden in der indischen Gesellschaft noch mehr verachtet als die Dalits, die Unberührbaren.
Viel Kummer machte unseren Marys das Mädchen C., die gerade als Beste die 11. Klasse abgeschlossen hatte. Ihre Mutter verbrannte, als sie fünf Jahre alt war (so steht es lakonisch in ihrem Lebenslauf), ihr Vater heiratete aufs Neue, die Stiefmutter misshandelt sie, und der Vater erlaubt ihr nicht mehr, nachhause zu kommen. Nun ist auch noch die Großmutter, bei der sie Zuflucht gefunden hat, an Krebs erkrankt, so dass der Vater versucht, sich seiner Tochter endgültig zu entledigen. In Indien heißt das: Man verheiratet sie, egal ob das Kind noch minderjährig ist oder nicht. C., die gute Schülerin, sträubt sich gegen die Pläne ihres Vaters. „Ich möchte Abitur machen und auf eigenen Beinen stehen“, sagt sie. „Wir tun alles, um den Vater umzustimmen, aber wir sind nicht sicher, ob uns das gelingt“, schrieb uns Sr. Leelavathi völlig entnervt noch vor wenigen Wochen. Am 14.5. erreichte uns dann die Nachricht, dass C. nun doch in Premanjali bleiben darf. Ein großer Erfolg, der uns abermals darin bestärkt, die wertvolle Arbeit der Marys in Premanjali zu unterstützen.