15. Feb
2015

„Computation“

„COMPUTATION“ – was soll das bloß bedeuten? Dieses Wort tauchte immer wieder auf in den Briefen der Kinder aus unseren Heimen. Als dann die ersten Fotos kamen, die stolze Mädchen zeigten, denen selbstgebastelte Medaillen um den Hals hingen oder die glücklich handgedruckte Siegerurkunden vor die Linse hielten, war klar: Wettbewerb war gemeint, „competition“.

Im Januar fand in Gundibala, dem Ort im südlichen Indien, in dem sich unser Mädcheninternat Anugraha befindet, das jährliche Schulsportfest statt. Sechs Mädchen aus Anugraha standen am Ende auf dem Treppchen. Celine gewann beim Weitsprung, Hochsprung und dem 200-Meter-Lauf und wurde damit beste Leichtathletin der gesamten Schule. Margret war auf Distriktebene Siegerin im 400-Meter-Lauf und 200-Meter-Gehen und durfte bei der anschließenden Siegesparade die Fackel tragen (auf dem Gruppenfoto schaut sie, rechts, voller Entschlossenheit in die Kamera). Zu den stolzen Siegerinnen gehörten außerdem Sharon (Dreisprung) und Carmelin (400-Meter-Lauf). Celestine (200 und 400-Meter-Lauf) und Janita (800-Meter-Lauf) erreichten zweite und dritte Plätze.

Margret als Fackelträgerin

Margret (vorne rechts) als Fackelträgerin

Wettbewerbe spielen eine große Rolle im Leben der Mädchen in Anugraha und Shanti Dhama, Heime, in denen unsere Projektpartnerinnen, die Helpers of Mary, jeweils 40 Mädchen betreuen. „Wenn diese Kinder zu uns kommen, sind sie häufig völlig verstört. Sie sprechen nicht, sie verkriechen sich, sie möchten am liebsten unsichtbar sein“, sagt Schwester Philo. Die Marys wissen, was diese Kinder aus den rückständigsten Gegenden Indiens erlebt haben. Viele von ihnen wurden sexuell missbraucht, sie wurden geprügelt und mussten arbeiten, kaum dass sie auf ihren kleinen Beinen stehen konnten. Man hatte man ihnen eingebläut: Ihr seid nichts wert, ihr seid nur Mädchen.

Celine wurde als beste Leichtathletin ausgezeichnet

Celine wurde als beste Leichtathletin ausgezeichnet

Wettbewerbe helfen den Mädchen, ein eigenes Selbstbewusstsein aufzubauen. Natürlich gibt es nicht nur Sportwettkämpfe. Die Marys veranstalten zusätzlich regelmäßige Rede-, Theater-, Tanz-, und Gesangswettbewerbe, um die verschiedenen Talente der Mädchen herauszubilden. Die Mädchen entwickeln sich so in kurzer Zeit zu selbstbewussten Persönlichkeiten, die wissen, was sie wollen und wo es lang geht. „Ich kann jederzeit eine Ansprache zu einem Thema aus der Zeitung halten, vielleicht sollte ich später mal Rednerin werden“, überlegt Alpriya, Neuntklässlerin und Siegerin des letzten Redewettbewerbs. Das sind die besten Voraussetzungen, um zum gesellschaftlichen Wandel beizutragen.

Es gibt inzwischen keinen Zweifel mehr: Mädchenbildung ist der Schlüssel zur Armutsbekämpfung. Sie ermöglicht Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und bekämpft, wichtiger denn je, extremistische Strömungen.